Krebstherapien sind oft kräftezehrend und viele Patient:innen fühlen sich während der Behandlung erschöpft. Doch was, wenn die anhaltende Müdigkeit auch nach der Krebsbehandlung nicht verschwindet? Diesen Zustand nennt man "tumorbedingte chronische Fatigue" - eine anhaltende Ermüdung, die nicht nur körperlich, sondern auch seelisch und geistig belastend sein kann. Erfahren Sie, wie Fatigue das Leben von etwa einem Viertel der Krebspatient:innen beeinflusst und warum sie sich von normaler Müdigkeit unterscheidet.
Eine Krebstherapie kann anstrengend sein. Viele Patient:innen fühlen sich während der Krebstherapie erschöpft. Das ist erst einmal ganz normal und hängt oft mit der kräftezehrenden Behandlung zusammen.
Es kann jedoch sein, dass dieser Erschöpfungszustand auch nach der Krebsbehandlung noch andauert. In diesem Zusammenhang spricht man von einer tumorbedingten chronischen Fatigue, was übersetzt „andauernde Ermüdung“ bedeutet.
Wenn Patient:innen also auch lange nach der Krebstherapie noch unter einer bleiernen Müdigkeit leiden, die sich auch durch ausreichend Schlaf nicht bessert, kann es sich um eine Fatigue handeln.
Fatigue kann für Krebspatient:innen zu einer großen Belastung werden. Sie ist nicht nur mit körperlichen Symptomen verbunden, sondern geht auch mit seelischen und geistigen Symptomen einher. Etwa ein Viertel der Krebs-Patient:innen ist davon betroffen.
Im Gegensatz zu einer normalen Müdigkeit nach Anstrengung steht die Fatigue nicht in direktem Zusammenhang mit einer vorangegangenen körperlichen oder geistigen Belastung. Auch ausreichender Schlaf bessert die Symptome oft nicht.
Bei Krebserkrankungen kann Fatigue zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Krankheitsverlauf auftreten: Bereits vor der Diagnose, während der Therapie, Monate oder sogar Jahre danach. Man unterscheidet daher zwischen der akuten und der chronischen Fatigue.
Die akute tumorbedingte Fatigue tritt während oder nach einer Tumortherapie auf und klingt in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach Therapieende wieder ab. Neben der Krebserkrankung selbst können somit auch behandlungsbedingte Nebenwirkungen zu einer Fatigue beitragen. So können der Tumor selbst aber auch die Therapien Stoffwechselprozesse und hormonelle Regelkreise beeinflussen und dadurch die Voraussetzungen für die Entstehung einer Fatigue begünstigen. Zum Beispiel kann es zu einer Blutarmut (Anämie) kommen: Die Organe werden nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt, was den Organismus schwächt. Weitere Ursachen könnten Mangelernährung, Hormonstörungen, Schlafprobleme und psychische Folgen der Krebsdiagnose sein.
Von einer chronischen Fatigue spricht man erst, wenn die Erschöpfungszustände auch 12 Monate nach dem Therapieende noch andauern. Als Langzeit- oder Spätfolge kann Fatigue auch Jahre nach der Erkrankung oder Therapie anhalten oder erneut auftreten. Die Ursachen des chronischen Fatigue-Syndroms sind weit weniger gut erforscht. Oft lässt sich keine klare Ursache ausmachen.
Selbstverständlich wünscht sich jede/r nach überstandener Krebstherapie eine schnelle Genesung und Rückkehr in den Alltag. Umso frustrierender ist es, wenn sich auch nach Monaten oder gar Jahren keine Besserung der Fatigue einstellt. Zu der psychischen Belastung kommt dann häufig noch eine finanzielle, wenn Betroffene dauerhaft nicht mehr erwerbstätig sein können. Umso wichtiger ist es zu verstehen, dass es sich hier um ein Krankheitsbild handelt, bei dem man sich, wie bei anderen Erkrankungen auch, Hilfe und Unterstützung holen kann. Vielen hilft es, wenn sie nicht mehr gegen diesen Zustand ankämpfen, sondern versuchen die Situation zu akzeptieren und dadurch lernen mit der Fatigue besser umzugehen.
Wer von Fatigue betroffen ist oder einen dahingehenden Verdacht hat, sollte sich zuerst an den Arzt oder die Ärztin wenden, die auch die Krebstherapie durchgeführt hat. Eventuelle Ursachen oder Begleiterkrankungen können dann aufgedeckt werden. Ggf. kann eine gezielte Therapie gestartet werden. Es kann sein, dass eine Fatigue aufgrund der sich zum Teil ähnelnden Symptome mit einer Depression gleichgesetzt wird. Auch hier sollten Spezialisten eine Abklärung vornehmen.
Auch wenn es widersprüchlich erscheint, ist bei tumorbedingter Fatigue körperliche Aktivität zurzeit eine der wichtigsten therapeutischen Ansätze, um die Symptome langfristig zu lindern. Welche Übungen durchgeführt werden können, ist dabei oft individuell abzuklären. Das kann ein Spaziergang sein oder gezielte Fitnessübungen zu Hause. Grundsätzlich gilt, das Bewegungsprogramm den eigenen Bedürfnissen und dem Energielevel anzupassen. Wichtig ist, dabei eine Routine zu entwickeln und die Übungen regelmäßig durchzuführen.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Ruhephasen. Diese sollten fest in den Alltag eingeplant werden und möglichst erholsam sein. Dabei können Entspannungsübungen und Mind-Body-Therapien wie Yoga, Qi Gong und Achtsamkeitsübungen helfen. Die Entspannungsübungen und regelmäßige Schlaf- und Wachrhythmen können den Schlaf verbessern und erholsamer machen.
Direkt im Anschluss an eine Krebstherapie ist es in der Regel möglich eine Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch zu nehmen. Liegt eine Fatigue vor, haben Betroffene Anspruch auf weitere Rehabilitationsmaßnahmen. Krebsberatungsstellen bieten ambulante Therapieangebote. Auch einige Tumorzentren haben spezielle Behandlungsangebote. Hier besteht die Möglichkeit ein individuelles Bewegungs- und Achtsamkeitsprogramm zusammenzustellen und sich Tipps für den Alltag zu Hause zu holen. Hier können Sie auch Kontakt zu Patient:innen knüpfen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Es gibt mittlerweile auch Selbsthilfegruppen, bei denen sich Betroffene austauschen können.
Betroffene fühlen sich oft hilflos und allein gelassen. Sie können das Ausmaß der Erschöpfung oft nicht vermitteln und in Worte fassen. Daher ist es wichtig, frühzeitig die Angehörigen mit einzubinden und offen über die Erschöpfung zu sprechen. Soziale Unterstützung und Verständnis können helfen, mit der Erschöpfung im Alltag umzugehen.
Um den Alltag besser zu bewältigen ist es auch hilfreich, Aufgaben neu zu verteilen und Dinge zu delegieren, die man früher ggf. selbst erledigt hat.
Die Belastungsgrenzen zu kennen, zu akzeptieren und zu lernen, die Kraft dementsprechend einzuteilen, ist wichtig. Den Alltag nach den eigenen neuen Bedürfnissen zu strukturieren, nennt sich Pacing. Beim Pacing gibt es keine festen Regeln oder Ziele für den Alltag. Es geht vielmehr darum, auf den eigenen Körper zu hören, Prioritäten bei den täglichen Aufgaben zu setzen und feste Ruhephasen einzuplanen. Ein Energietagebuch, in dem die Aktivitäten, Routinen und Energielevel festgehalten werden, kann helfen den Alltag zu strukturieren. „Nein“ zu sagen und ohne ein schlechtes Gewissen Pausen machen zu können, sollte unbedingt gelernt werden. Denn beim Umgang mit Fatigue geht es auch um Selbstfürsorge und Achtsamkeit.